Skip to main content

Der Appell für die „Gesellschaft in Verantwortungseigentum“ (VE-GmbH) hat letzte Woche hohe Wellen geschlagenMehr als 600 Unternehmer*innen und über 100 Expert*innen (u.a. Ökonom*innen) fordern eine neue Rechtsform, mit der man festschreiben kann, dass das Unternehmenskapital vorrangig dem Unternehmenszweck dient und die Verantwortung für das Unternehmen unabhängig von Familie z.B. an Mitarbeiter*innen weitergegeben werden kann.

Es gab eine breite Debatte unter Politiker*innen, Verbänden, Familienunternehmer*innen und Gründer*innen. Was mir sehr gefallen hat, war die Leidenschaft, mit der wir den Status Quo, aber auch den neuen Vorschlag, diskutiert haben. Diesen inhaltlichen Schlagabtausch, dieses Ringen um neue Lösungen brauchen wir wieder mehr.

Meine Beweggründe den Appell für eine VE-GmbH zu unterschreiben sind:

Als Tochter von Familienunternehmern schätze ich den Wert und den gesellschaftlichen Beitrag von Unternehmen, die langfristig und über Generationen hinweg wirtschaften und sich engagieren.

Als Kind der Startup-Szene sehe ich aber auch, dass es nicht nur die Familienunternehmen sind, die verantwortungsvolles Unternehmertum vorleben können. Auch viele Startup-Gründer wollen werteorientiert handeln, langfristig denken und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Warum sollen sie das erst nach der Übergabe an die nächste Generation unter Beweis stellen dürfen? Eine Rechtsform würde ihnen erlauben, sich schon heute rechtlich verbindlich zu committen, Treuhänder*innen des Unternehmens zu sein.n.

Stiftungslösungen (wie z.B. bei Bosch, ZF Friedrichshafen oder Zeiss umgesetzt ) sind bisher die einzige Möglichkeit das Unternehmensvermögen langfristig an das Unternehmen und seinen Zweck zu binden und als Treuhänder*in die Anteile zu halten, ohne sie veräußern zu können. Das Stiftungsrecht ist aber komplex und starr und selbst nach der geplanten Reform (mit vielen sinnvollen bürokratischen Vereinfachungen) bleibt eine Stiftung ein aufwändiges Konstrukt, das für viele junge Unternehmen einfach nicht passt. Der Betrieb einer eigenen Stiftung ist für Start-Ups, die alles Geld für Reinvestitionen benötigen, nicht zumutbar. Außerdem soll eine VE-GmbH auch insolvent gehen können, wenn sie wirtschaftlich nicht mehr erfolgreich ist. Stiftungen sind aber für die Ewigkeit gegründet und können nicht einfach geschlossen werden.

Der Familienbegriff wird – optional – erweitert. Das Unternehmen kann Menschen gehören oder an Menschen übergeben werden, die mit dem Unternehmen verbunden sind, die aber nicht zur Gründer*innen-Familie gehören. Damit besteht mehr Flexibilität hinsichtlich der Nachfolgeregelung.

Die VE-GmbH belässt das Eigentum bei Menschen und sichert Haftung

Mit zwei Missverständnissen zur VE-GmbH möchte ich aufräumen. Die VE-GmbH ist keine Sozialisierung des Eigentums. Die Unternehmensanteile gehören immer noch Menschen – wie z.B. Mitarbeiter*innen – und nicht “der Gesellschaft” im allgemeinen. Damit geht auch einher, dass Haftung und Eigentum weiter eng gekoppelt sind. Diejenigen, denen das Unternehmen gehört, haften für ihre Einlagen, wie das bei jeder „Gesellschaft mit begrenzter Haftung“ normal der Fall ist. Eigentümer können persönliche Bürgschaften geben oder anders in die Haftung gehen und dafür belohnt werden. Kurz gesagt: was Haftung betrifft, ist die VE-GmbH identisch mit der „normalen“ GmbH, da gibt es keine Unterschiede.

Die VE-GmbH hat den Begriff “unternehmerische Verantwortung” nicht gepachtet

Die VE-GmbH ist eine Form, um unternehmerische Verantwortung zu tragen, aber natürlich nicht die einzige. Der Begriff „Verantwortungseigentum“ soll beschreiben, dass hier Menschen Eigentum an den Verantwortungsrechten halten, ohne Eigentum am Vermögen zu halten – daher der Begriff „Verantwortungseigentümer”. Aber nach der Diskussion in den letzten Tagen ist klar geworden, dass der Begriff “Verantwortungseigentum” unnötig konfrontativ ist , da er – missverstanden – suggeriert, dass nur Unternehmer*innen, die diese Gesellschaftsform wählen Verantwortung übernehmen bzw. bisherige Unternehmer*innen keine Verantwortung getragen hätten. Das Gegenteil ist der Fall. Daher besteht große Offenheit eine Bezeichnung zu finden, die besser geeignet ist, diese neue Rechtsform zu beschreiben.

Es geht also nicht darum, VE-GmbH-Gründer*innen gegenüber anderen Startup-Gründer*innen oder Familienunternehmen als die besseren Unternehmer*innen darzustellen. Sondern es geht darum, gemeinsam unser Land unternehmerisch nach vorne zu bringen. Denn den meisten Unternehmer*innen ist gemein, dass sie Arbeitsplätze schaffen und im Erfolgsfall mit ihren Unternehmen einen wertvollen Beitrag zum Wohlstand und zur Innovationskraft unseres Landes leisten. Und im besten Fall auch einen gesellschaftspolitischen Impact aufgrund ihrer Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen haben.

Die “Gesellschaft in Verantwortungseigentum” ist daher keine Kampfansage an die GmbH und bisherige Gründer*innen und Unternehmer*innen. Sie ist keine Abkehr von Erfolgsmodellen, sondern eine Erweiterung der Optionen, die wir für mehr unternehmerische Vielfalt und die Zukunft unserer Gesellschaft dringend brauchen.

Diesen Artikel habe ich zusätzlich auf LinkedIn veröffentlicht.