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Die Zukunft wird eine Herausforderung. Klimawandel, Digitalisierung, Fachkräftemangel. Wenn unsere Kinder die Schule verlassen, sollten sie darauf vorbereitet sein. Alle. Egal, wo sie wohnen, wo sie herkommen, welche Schule sie besuchen, oder welchen sozialen Hintergrund sie haben. Es sollte unser Anspruch sein, sie im besten Humboldtschen Sinne zu mündigen Gestalter:innen der Zukunft auszubilden.

Was läge da also näher, als sich das Abitur anzusehen und zu schauen, ob es diesen Anforderungen Rechnung trägt. Denn wie Björn Nolte vom Institut für zeitgemäße Prüfungskultur richtig sagt, können wir uns die “schönsten Dinge für den Lernprozess ausdenken. Lernende werden immer danach fragen, welche Prüfungen am Ende auf sie warten.“

Und als ob das nicht schon Herausforderung genug wäre, hat das Bundesverfassungsgericht gefordert, dass die Abiturprüfungen künftig zur besseren Vergleichbarkeit über alle Bundesländer einheitlicher werden sollen. Die Kultusministerkonferenz arbeitet bereits mit Hochdruck an genau diesem zukunftsfähigen Abitur, dessen Rahmenbedingungen bereits Mitte März entschieden und dann 2027 in Kraft treten sollen.

So weit, so hoffnungsvoll.

Doch gräbt man sich tiefer in die Materie – und liest vor allem die Potsdamer Erklärung, die von einer großen Anzahl Bildungsschaffender verfasst und unterschrieben wurde -, hört man, dass wenig an dem neuen Entwurf zukunftsfähig ist. Denn die Leistungsmessung in der Oberstufe und vor allem im Abitur soll auch in Zukunft dominiert werden von Klausuren in den jeweiligen Fächern, die die Schüler:innen einzeln und in Präsenz in der Regel mit der Hand schreiben müssen.

Und das ist genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt brauchen.

Denn ein einheitliches Abitur mit fast ausschließlich schriftlichen Prüfungen geht in Zeiten von KI-Lösungen wie ChatGPT sowie dem Ziel die Schüler:innen zu befähigen, ihre eigenen Wege zum Ziel – ob digital oder analog – zu finden, komplett in die falsche Richtung. Es berücksichtigt auch in keinster Weise die Diversität unserer heutigen Gesellschaft mit vielfältigen Herkunftsgeschichten, unterschiedlichen Sprach- und Lernvoraussetzungen sowie Begabungen der Schüler:innen und ist damit das Gegenteil von Bildungsgerechtigkeit.

Unser Land braucht künftig Problemlöser:innen, die den Herausforderungen der Zukunft innovative Lösungen entgegensetzen können und sich in einer Gesellschaft mit Herausforderungen wie fake news, hate speech, datenbasierten Diensten und digitalen Programmen zurechtfinden und diese verstehen und aktiv gestalten.

Und zu diesen werden wir sie nur ausbilden, wenn die Prüfungen am Ende eines jeden Themas und Fachs auch zur neuen Arbeitsweise passen. Deshalb sollten E-Portfolios, Multimedia-Präsentationen, Forschungsberichte, praktische Arbeiten, Kolloquien und Pitches genauso Eingang finden in die Benotung und Abinote wie handschriftliche Prüfungen in Präsenz.

Wir brauchen ein Bildungssystem, welches diese neuen Anforderungen an Schule und Bildung reflektiert und ein Abitur, welches auch Projektarbeit, digitale Arbeiten und vor allem die Synthese und die kritische Auseinandersetzung des Gelernten ermöglicht, und zwar nicht nur in handschriftlicher Form.

Um die Weiterentwicklung des Schulwesens auch zukünftig zu sichern, sollte dringend eine Innovationsklausel in den Vorschlag der KMK aufgenommen werden, durch die Innovation in der Schule systematisch ermöglicht, unterstützt, begleitet und ausgewertet werden kann. Diese Klausel muss über das Instrument des bisherigen Schulversuchs hinausgehen, damit es nicht nur für einzelne Modellschulen, sondern für möglichst viele Schulen möglich ist und damit zu einem Wettbewerb der besten Ideen zur Gestaltung der Schule der Zukunft führt.

Diese Forderung der Bildungsschaffenden rund um die Potsdamer Erklärung sollte daher zwingend in die Abiturreform der KMK einfließen, damit diese wirklich die Weichen für die Zukunft stellt und zu mehr Bildungsgerechtigkeit, Problemlösekompetenz und Mündigkeit unserer Schüler:innen im 21. Jahrhundert führt.