Das zähe Ringen der Länder und des Bundes um den Digitalpakt hat ein Ende – seit letzter Woche ist klar, dass das Grundgesetz geändert wird und dem Digitalpakt nichts mehr im Wege steht. Der Bundestag hat schon zugestimmt, Mitte März wird der Beschluss des Bundesrates erwartet und dann kann der Digitalpakt final unterzeichnet werden.
3,5 Mrd. Euro wird der Bund dann in dieser Legislaturperiode in die digitale Infrastruktur (WLAN und Geräte) der Schulen stecken. Über einen festgelegten Verteilungsschlüssel werden die Gelder den einzelnen Bundesländern zugeordnet. Mit dem Bundesgeld soll erreicht werden, dass schnelles Internet in allen Schulen verfügbar wird und der Einsatz digitaler Medien in die Lerninhalte integriert werden kann. Die digitalen Medien sollen die traditionellen Lernmethoden ergänzen, aber nicht ersetzen. Auch die Nutzbarmachung der Infrastruktur durch Systemadministratoren wird unterstützt. Die Länder sollen sich dafür um die Inhalte und Lehrerfortbildung kümmern. So far, so good!
Jetzt kommt es darauf an, dass wir so schnell wie möglich mit der Umsetzung des Digitalpakts beginnen. Denn der Beschluss ist lediglich die Voraussetzung dafür, dass jetzt gehandelt werden kann, er ist kein Selbstzweck.
Daher habe ich ganz konkrete Fragen an die Politik:
- Wie rufen die Länder und letztendlich die Schulen das Geld jetzt wirklich ab? Wer entscheidet in welchem Zeitraum die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden? Und an wen? Gibt es ein „First come, first serve“?
- Gibt es Förderrichtlinien der Länder, welche Voraussetzungen der Schulträger konkret erfüllen muss, um die Gelder genehmigt zu bekommen?
- Gibt es Anlaufstellen bei denen die Schulträger ihre digitalen Konzepte einreichen können? Und gibt es für diese Konzepte ein Musterformular (wir haben doch eigentlich für alles in diesem Land Formulare)?
- Wer schreibt an den Schulen eigentlich die digitalen Konzepte? Werden dafür jetzt Lehrer freigestellt und falls ja, wer schult sie, damit sie wissen was sie in das Konzept überhaupt reinschreiben sollen?
- Und wenn das Konzept dann geschrieben ist/wäre – wie prüft der Schulträger (der in der Regel 10-15 Schulen unter sich hat) diese Konzepte auf Vollständigkeit, Sinnhaftigkeit und Umsetzungsqualität, wenn er in diesem Bereich bisher auch keine Expertise hat?
Fragen auf die man bisher kaum Antworten bekommt. Denn schaut man in die Praxis und spricht mit den Schulen und Schulämtern ist die Realität, dass viele Länder sehr schlecht auf den Digitalpakt vorbereitet sind. In Berlin beispielsweise scheinen weder Senat noch Bezirke einen Überblick darüber zu haben, wie der IST-Zustand an den Schulen in Bezug auf die technischen Voraussetzungen ist. Wenn man also noch nicht mal den IST-Zustand kennt, wie soll man dann ein Konzept schreiben, was man sich in Zukunft wünscht.
Und auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, scheint nicht mehr Einblick zu haben. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagt sie auf die Frage, ob die Schulen vorbereitet seien die digitalen Konzepte zu schreiben und das Geld aus dem Digitalpakt zu beantragen:
Sie brauchen dafür Zeit. Und dann ist es natürlich so, dass die Schulträger, so wie ich das jetzt verstanden habe, dann gewichten müssen, an welche Schule geben sie jetzt zuerst Geld, und dann muss das Land das Geld passieren. Von heute auf morgen ist da noch nichts geregelt.
Was muss jetzt also passieren, damit der Digitalpakt auch wirklich in den Schulen ankommt? Hier meine persönliche Wunschliste aus der Praxis:
- Wir müssen heute mit der Aus- und Weiterbildung der Lehrer/innen beginnen. Dafür braucht es ein zentrales Portal auf dem Transparenz über Angebot und Qualität existierender Lehrerfortbildungen geschaffen wird und an neuen Weiterbildungskonzepten gearbeitet wird. Die Ausbildung unserer Lehrer ist die Kernvoraussetzung dafür, dass die Gelder aus dem Digitalpakt überhaupt abgerufen werden können und verhindert wird, dass ungenutzte Geräte in den Klassenzimmern verstauben. Daher hat dieses Thema Top Priorität!
- Wir brauchen ein digitales Musterkonzept pro Bundesland für Grundschulen, Sekundarschulen und Berufsschulen, damit das Rad nicht an jeder Schule und bei jedem Schulträger neu erfunden wird. Ein solches Musterkonzept schafft Orientierung, Transparenz und vereinheitlicht die Standards, die an den Schulen herrschen sollen.
- Wir brauchen eine kompetente Anlaufstelle in jedem Bundesland bei der die digitalen Konzepte nicht nur eingereicht werden, sondern die auch bei Fragen während der Erstellung kompetent Auskunft geben kann. Da muss also ein geschultes Team sitzen. Mit der Rekrutierung kann heute begonnen werden.
- Wir brauchen eine zentrale Website zum Digitalpakt auf der alle Informationen zur Vergabe der Gelder, zu Förderrichtlinien, Formularen etc. verfügbar sind und auf der die digitalen Konzepte hochgeladen werden können. Sobald die Konzepte genehmigt wurden und die Mittel geflossen sind, wäre eine Deutschlandkarte toll auf der man sieht wie viele Schulen schon ausgestattet wurden.
- Wir brauchen einen best-practice-Ansatz und keine Ellenbogen-Kultur der Länder. Wenn also ein Bundesland bereits weiter ist als Andere, dann wäre es wünschenswert, wenn Materialien, Formulare, Prozesse, Lehrerfortbildungsunterlagen geteilt würden, denn wenn wir voneinander lernen – statt das Rad 16x neu zu erfinden – kommen wir schneller ans Ziel und stärken die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
- Wir brauchen einen Systemadministrator an jeder Schule (mittelfristig kann ein Sys-Admin evtl. auch 2-3 Schulen parallel betreuen), der dafür sorgt, dass die Geräte einsatzfähig sind und der Unterricht nicht durch technische Störungen verhindert wird. Die Gelder des Digitalpakts dürfen auch explizit für Systemadministration verwendet werden, daher sollte diese Position unbedingt in den digitalen Konzepten der Schulen mitgedacht und beschrieben werden. Um auch hier zu verhindern, dass jede Schule sich eigene Gedanken machen muss, sollte es ein zentrales „System-Administrations-Konzept“ geben, welches Standard für alle Schulen wird. Da wir auch schon ohne den Digitalpakt deutlichen Fachkräftemangel in diesem Bereich haben, sollte über (Um)Schulungs-Maßnahmen für Systemadminstratoren nachgedacht werden, da es hier sonst trotz guter Konzepte an Menschen fehlen wird, die für den reibungslosen Einsatz der Geräte an den Schulen sorgen können.
- Ich könnte die Liste wahrscheinlich noch lange so weiterführen, aber dieses sind erstmal die dringendsten Wünsche. Ein ziemlich dickes Brett, was der Bund und die Länder da bohren müssen. Um so wichtiger, dass der Digitalpakt nun endlich durch ist, damit wir uns an die Arbeit machen können. Es gibt viel zu tun, packen wir es an!