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Im Gegensatz zu uns Erwachsenen, die wir die digitale Welt bewusst betreten oder uns von ihr abgrenzen, machen Kinder keine Unterschiede. Ob analoges oder digitales Werkzeug – sie spielen, sie basteln, sie erzählen Geschichten. Neugierig, unbeschwert und ohne Scheu.

Wir müssen nicht alles auf den Prüfstand stellen

Als Eltern bestärken wir sie in diesem unbezahlbaren Selbstverständnis, in diesem herrlichen Selbstbewusstsein. Wir helfen ihnen und unterstützen sie. Wir geben Regeln vor und Rüstzeug fürs Leben mit. Eigentlich. Denn geht es um die digitale Welt, fallen wir nicht selten aus der Rolle. Wir legen eine „Lieber nicht“-Mentalität an den Tag und steigen aus dem gemeinsamen Erkunden und Erleben mit unseren Kindern aus. Da drängt sich die Frage auf: warum machen wir das? Warum lassen wir uns von der Digitalisierung derart ins Bockshorn jagen?

Ich vermute, es ist eine Gemengelage aus Desinteresse und Nichtwissen, Unsicherheit und Angst. So können wir zum Beispiel nicht auf unsere eigene Kindheit referenzieren. Wir können nicht fragen: „Wie hat deine Mutter das denn mit dir gemacht, wie oft durftest du ihr Tablet haben?“. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, das digitale Leben gemeinsam mit unseren Kindern so verantwortungsvoll wie möglich anzugehen, es zu versuchen. Die gute Nachricht ist: Wir müssen nicht alles auf den Prüfstand stellen, nur weil die Digitalisierung angebrochen ist.

Konsumierst du noch oder gestaltest du schon

Unsere Wertegerüste und erzieherischen Maßstäbe werden in der digitalen Welt nicht ausgehebelt. Im Gegenteil. Geht es um digitales Konsumieren, müssen klare Regeln für unsere Kinder her. So wie im Straßenverkehr auch. Nehmen wir uns hier in die Pflicht und unsere Verantwortung wahr, können wir die Bilder von Kindern, die geistig „ausgecheckt“ in ihren Zimmern hocken und nur noch auf ihren Smartphones oder Tablets vor sich hin daddeln, getrost aus unseren Köpfen verbannen. Denn sind die Regeln erst etabliert, ist der Weg frei für ein vertrauensvolles und konstruktives digitales Miteinander – und das ein oder andere Überraschungsmoment.

Bestes Beispiel: Minecraft. Kinder sind begeistert, Eltern beim Gedanken an Monster und Zombies besorgt. Wenn das eigene Kind aber gar nicht im sogenannten Überlebensmodus gegen seltsame Kreaturen kämpft, sondern im Kreativmodus Schaltkreise bastelt und Bauwerke errichtet, staunen die Eltern nicht schlecht. Und das Kind ist stolz wie Bolle. Zu Recht. Es hat bereits damit begonnen, die digitale Welt selbst zu gestalten.

Wenn der digitale Funke überspringt

Zeigen wir unseren Kindern alternative Möglichkeiten der digitalen Nutzung auf, werden sie diese dankbar ergreifen. Davon bin ich fest überzeugt. In unseren Digitalwerkstätten dürfen wir es jeden Tag erleben: Kinder, die aus Pappbechern bunte Roboter oder aus Bananen und einem Makey Makey-Bausatz ein sechstöniges Klavier basteln. Kinder, die Animationsfilme zur Aufführung bringen. Und Kinder, die mit Scratch ihre ersten Spiele programmieren. Mit leuchtenden Augen und vor Stolz fast platzend präsentieren sie das digitale Tüftelwerk beim Abholen dann ihren Eltern, fordern sie zum gemeinsamen Ausprobieren auf und zerren sie nicht selten ungeduldig wie begeistert noch vor den 3D-Drucker. „Das ist so cool, das müsst ihr euch unbedingt anschauen!“. In diesen Momenten springt er über, der digitale Funke.

Die Welt bleibt nicht stehen

Für jene, die noch immer zweifeln, halte ich ein Zitat des dänischen Philosophen Kierkegaard bereit, das mein Opa oft bemüht hat: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“. Fakt ist: Die Welt bleibt nicht stehen, das Digitale geht nicht wieder weg. Deshalb dürfen wir es weder als Teufelszeug verdammen noch einfach ignorieren oder uns wegducken. Wir müssen es aktiv und kreativ in unser Leben und das unserer Kinder integrieren. Unverkrampft, ohne Angst und Vorurteile – auch wenn wir nicht alles auf Anhieb verstehen.